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Marianne-von-Willemer Preis 2011
Laudatio von Silvana Steinbacher
Zu einem gleichermaßen spritzigen wie sprachlich souveränen Spiel schraubt sich Angela Flam, die Gewinnerin des diesjährigen Marianne von Willemerpreises in ihrem Text hoch.
Geradezu leichtfüßig kreiert die Autorin ein Versetzspiel aus Wörtern und kurzen Textpassagen. Diese werden teils wortwörtlich wiederholt, geraten aber auch in immer wieder neue Nachbarschaften.
Für ihren prämierten Siegerinnentext mit dem Titel „Soda! Mit Wendeltreppe" entwirft die gelernte Tänzerin eine eigene Kulisse, und sie unterteilt diese ihre Wortbühne in parallel geschaltete Textzellen. Schreiben erweist sich somit wesentlich als ein spielerisches Befüllen vorab fixierter Stellen, wobei dieses Befüllen sehr offen geschieht
Flams Text überzeugte uns, die Jury, Doktorin Petra- Maria Dallinger, Professorin Ulrike Tanzer und mich einstimmig unter den 108 vielfach auch qualitativ beachtlichen Einreichungen am meisten: Die Jury begründete ihre Entscheidung für diesen Text damit, dass hier auf unkonventionelle Weise mit sprachlichen Versatzstücken experimentiert wird, und dies wie bereits erwähnt gleichermaßen souverän wie auch leichfüßig.
Was können wir uns unter diesem unkonventionellen Experimentieren vorstellen? Das mit Rufzeichen versehene versale Wort SODA im Titel bezieht sich auf einen Satz, der in allen linksseitig platzierten Sequenzen stets an gleicher Stelle wiederkehrt, nämlich die ironische, beinah genervt klingende conclusio: „so, dann hätten wir das auch besprochen".
Angesichts der Frische, die von Flams Text ausgeht , möchte ich aber auch an das Prickelnde des titelverleihenden Wortes erinnern. Einerseits offen, andrerseits perlend wie Soda.
Und diesen Eindruck bewirkt der Text wohl, weil seine Konstruktion darauf weist , wie hier eine Autorin mit großem Formbewusstsein und dabei dennoch wie unbeschwert Sprache, mit einer spürbaren Lust mit Wörtern zu spielen, in Szene setzt. Es ist ein Spiel, das - so meine ich - in der gegenwärtigen Literatur leider vernachlässigt wird. Entgegen manchem mehr wissenschaftlich ausgerichteten und unterfütterten Schreiben als Experiment [das eher als eine männliche Domäne anzusehen ist] steht diese Arbeit Flams in einer Tradition, die bewusst einen spielerischen und dabei angenehm unprätentiösen Zugang zu Sprache sucht und öffnet. Ich nenne etwa dieoberösterreichische Autorin Elfriede Czurda oder die Schweizer Autorin Birgit Kempker. Bei diesen durchaus sehr konstruktiv angelegten Texten geht es immer auch um Formen, die das Setzen von Hierarchien unterlaufen.
Ich möchte ein paar Worte zur Biografie der Gewinnerin des Marianne von Willemerpreises 2011 sagen, auch weil ihr erlernter Beruf , der auf den ersten Blick wenig Berührungsflächen zur Literatur aufweist, mir aufschlussreich für Flams Schreiben erscheint. Angela Flam ist 1968 in Wels geboren und legte ihr Diplom in künstlerischem Ausdrucktanz und Tanzpädagogik ab. In den letzten Jahren veröffentlichte sie in mehreren Literaturzeitschriften, seit 2010 ist sie Mitglied der Künstlervereinigung Maerz.
Ihr Text Soda! mit Wendeltreppe erinnert an choreografisierte Bewegungsabläufe und damit an ihre Ausbildung als Tänzerin.
Charaktere, wie wir sie aus tradierten Erzählungen kennen - Sie ahnen es - werden Sie in diesem Text nicht finden. Wem begegnen wir also? In den fünf Sequenzen der linken Seiten des Textes sinnieren Pia, dann Karoji, die Puppe Alpina alba, ein Spider Trash Metronic Power und schließlich die Worthäufung Lazlo der Kater Mikesch, und in den fünf gegenüberliegenden Sequenzen Papa, Mama, Oma, Opa und schließlich die aus der Rolle fallende Beatrix, bei der sich alle Attribute, die zuvor die rechtsseitigen Textfolgen beendet haben, verbinden, sodass wir am Ende einer Treppe angelangt sind. Das Versetzspiel von Satzrudimenten, Wörtern und Ziffern machte es möglich: in der Oma-Sequenz - wenn ich es so bezeichnen darf - sind 13 Matrosen und in der Opa-Sequenz 18 Schneekristalle jeweils aus 97 Prozent Wasser. Die linksseitig platzierten Sequenzen gleiten gegen Ende mit ihren Ziffern aus, und zwar in steigernder Folge endend mit den Primzahlen 5, 7, 11, 17, 19. Wir besteigen eine Wendeltreppe, und der Text IST eben diese Wendeltreppe. Weniger einem geometrischen Muster verbunden zeigt sich die erste Einzelpublikation von Angela Flam, auf die ich heute auch gerne hinweisen möchte. Im Vorjahr 2010 erschien in der edition linz in der Bibliothek der Provinz die Textsammlung „Schwarze Kanister". Friedrich Hahn schreibt in einer Rezension, dass Flam in diesen kurzen Textfragmenten den Schichten des Erinnerns nachspürt und mit Hilfe einzelner Gedankensplitter ein Rollenspiel treibt. Und im Nachwort zu Flams „Schwarze Kanister" notiert die Welser Schriftstellerin Waltraud Seidlhofer : „Angela Flam erzählt nicht, das schreibende Ich existiert quasi in und hinter den Texten, wobei immer wieder auf den Identitätswechsel von Autorin und Akteurin hingewiesen wird"
Freilich findet man bei einem Text wie diesem die als weiblich kanonisierten literarischen Themen nicht, aber was wäre eigentlich eine typisch weibliche Literatur, engt man mit diesem Anspruch nicht vielmehr das Schaffen der Literatinnen zu sehr ein, oder wertet es möglicherweise sogar ab?
Abschließend jetzt zurück zum Bild der Wendeltreppe: Vielleicht kann der Marianne von Willemerpreis für die Autorin wieder eine Stufe ihrer ganz persönlichen Treppe sein, die sie literarisch hinaufsteigt. Wir hoffen sehr, dass Angela Flam auch in Zukunft ihre Texte gleich einer Wendeltreppe hochschraubt und uns zu sprachlichen Höhen entführt. |